Heilige und Henker, der Gartenplatz im Berliner Brunnenviertel

Es gibt Orte in Berlin, die friedlich und ruhig erscheinen, doch wenn in ihrer Geschichte gegraben wird, den Schrecken zeigen, den sich Menschen gegenseitig antun können. Der Gartenplatz im Brunnenviertel ist so ein Ort.

Die Buslinie 247 hält direkt am Gartenplatz und wer aussteigt, der sieht zunächst eine recht große katholische Kirche, um sie herum finden sich Spielplätze, eine kleine Parkanlage, eine Kindertagesstätte und Wohnhäuser. Heute ein Ort, wie er in Berlin häufig zu finden ist. Hier lebt die Berliner Mittelschicht, doch was der Gartenplatz die letzten 250 Jahre durchmachte, ist nicht vergleichbar mit anderen Berliner Wohngegenden, die langsam gewachsen sind. Es ist eine Geschichte von Bebauung, Elend, Bomben, Hass und Quälerei, die ihren Anfang am 22. September 1751 nahm.

Da wo heute der Gartenplatz steht, da war im Jahr 1751 nur Ackerland, außerhalb der Stadtmauern Berlins gelegen. Genau hier ließ Friedrich II Wohnhäuser für Siedler aus dem Vogtland anlegen. Der Preußenkönig wollte Handwerker in sein Berlin locken. So entstand Neu-Voigtland, doch es dauerte nur rund 50 Jahre, bis Neu-Voigtland von den Berlinern inoffiziell in Berliner Sahara umgetauft und „Voigtland“ ein Synonym für Armut, Elend und Asozialität wurde. Offiziell hieß die Gegend nun Oranienburger Vorstadt und die heutige Ackerstraße, die Gartenstraße wie auch die Bergstraße erhielten ihre Namen. Wie verrufen die Gegend war, zeigte der Umstand, dass hier, auf dem Gartenplatz, schon 1753, kurz nach dem Bau der Wohnanlagen, die letzte Berliner Hinrichtungsstätte errichtet wurde. Rund 80 Jahre war sie in Betrieb und am 2. März 1837 fand hier die letzte öffentliche Hinrichtung statt. Eine Ehegattenmörderin wurde gerädert und hunderte Neu- und blutgierige Zuschauer waren dabei, als Charlotte Sophie Henriette Meyer mit einem eisenbereiften Holzrad langsam von den Füßen an aufwärts alle Knochen zertrümmert wurden. Aus der nahe gelegenen Abdeckerei wehte der Gestank faulender Tierkörper herüber, während die Schaulustigen die Hinrichtung zum Volksfest machten.

St. Sebastian, zweimal aufgebaut

Einige Zeit nach der Hinrichtung wurde die Anlage verkauft und aus ihren Balken und Mauersteinen eine Kneipe errichtet. Der Gartenplatz und das Umland waren mit dem Zuzug der Voigtländer so etwas wie eine katholische Insel im Meer der protestantischen Berliner geworden und so wurde auf dem Gartenplatz 1893 die Kirche St. Sebastian eingeweiht, gewidmet dem Märtyrer Sebastian, einem Hauptmann der römischen Prätorianergarden, der für seinen Glauben unter Kaiser Diokletan im 3. Jahrhundert gleich zweimal hingerichtet wurde. Das erste Mal überlebte er zufällig und unbemerkt, was ihn jedoch nicht hinderte, sich weiterhin zu seinem Glauben zu bekennen, um dann im Circus endgültig erschlagen zu werden.

Ähnlich erging es der Kirche St. Sebastian auf dem Gartenplatz, die 50 Jahre nach ihrer Errichtung im Jahr 1943 von alliierten Bombern getroffen und gerettet hätte werden können, wenn da die Nazis nicht gewesen wären, die die Feuerwehren am Löschen hinderten. Immerhin wurde bereits 1950 eine neue, an gleicher Stelle errichtete Kirche eingeweiht. Allerdings kam dann 1961 der Mauerbau, der dicht am Gartenplatz vorbeiführte und das ganze Viertel zur Zonenrandlage machte. Trotzdem machte der Gartenplatz und das umliegende Brunnenviertel einen Wandel durch, der aus dem ehemaligen Berlin-Sahara ein Wohnviertel machte, in dem es sich bis heute recht gemütlich leben lässt.

November 2020

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